Wasserstoffwirtschaft: Günstige Quellen müssen her!

Die Energiefrage #76

Wasserstoff ist als Energieträger unhandlich, längerer Transport sollte aus Kostengründen vermieden werden. Er sollte daher möglichst am Ort der Nutzung dezentral erzeugt werden können. Dass „grüner“ Wasserstoff aus Solar- und Windenergie problematisch ist, rechnen wir hier vor. Wir untersuchen daher eine alternative Strategie, um Wasserstoff kosteneffizient und umweltfreundlich herzustellen.

Ob Wasserstoff als Energieträger langfristig und weltweit eine Chance hat, fossile Energieträger zu ersetzen, entscheidet sich nicht nur anhand politischer Vorgaben, sondern anhand der spezifischen Eigenschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Bei den Anwendern muss die Wertschöpfungskette so durchoptimiert sein, dass die Nutzung von Wasserstoff mit fossilen Energieträgern mithalten kann oder gar Vorteile bietet. Dies bezieht sich auf alle Schritte der Wertschöpfungskette von der Wasserstoffproduktion, -verdichtung, -lagerung, -transport, -betankung, -verwendung bis hin zu den begleitenden Dienstleistungen: Raststätten für Benzin und Diesel sind auch deswegen so beliebt, weil sie Nahrung und Erholung bieten; diese Dienstleistungen müssen in den Prozessketten mitgedacht werden.

Den Schritt der Wasserstoffverwendung haben wir bereits in einer vorigen Kolumne untersucht: Je höher der Wirkungsgrad, desto geringer die Kosten der Wasserstoffnutzung. Doch auch bei Produktion, Transport und Speicherung gibt es physikalische Randbedingungen, die in der derzeitigen politischen Diskussion zu wenig Beachtung finden. Insbesondere ist Wasserstoff für längeren Transport denkbar ungeeignet, was wir ja schon in einem früheren Artikel festgehalten haben: Mit einem großen Sattelschlepper lassen sich nur ein paar hundert Kilogramm davon transportieren. Auf Tankschiffen ist der Transport nur in flüssigem Zustand bei -269°C sinnvoll, die Kühlanlagen dafür sind aber extrem teuer und energieintensiv, auch ist die Wärmedämmung für die Tanks sehr material- und kostenaufwändig. Nur der Transport in Pipelines ist einigermaßen günstig. In künftigen Konzepten zur Nutzung von Wasserstoff sollte also Transport weitgehend vermieden werden und der Wasserstoff am Ort der Nutzung erzeugt werden.

Der zentrale Kostenaspekt bei der Nutzung von Wasserstoff sind die Herstellungskosten

Zu den Herstellungskosten zählen die Kosten der eingesetzten Energie, die Kosten für die Umwandlung in Wasserstoff und die Verdichtung bzw. Verflüssigung in ein speicherbares Produkt.

In jedem Kilogramm Wasserstoff stecken etwa 40 Kilowattstunden (kWh) an Energie, und ein Kilogramm davon kostet heute etwa zwei Euro, je kWh also fünf Eurocent. Für die Herstellung von Wasserstoff benötigt man immer mehr Energie, als später im Wasserstoff gespeichert ist; der Rest der Energie muss als Abwärme abgeführt werden.

Bei der Elektrolyse werden etwa 60 kWh elektrischer Energie in 40 kWh an Brennwert im Wasserstoffgas umgewandelt. Damit der elektrolytisch erzeugte Wasserstoff also wettbewerbsfähig ist bei ca. 2 EUR/kg mit dem aus der Dampfreformierung von Erdgas unter der ungewünschten CO2-Abscheidung gewonnenen Wasserstoff, dürfen Energie und die Umwandlung zusammen nicht mehr als ca. drei Eurocent kosten. Jedoch könnten gerade die Umwandlungskosten bei „grünem“ Wasserstoff aus Solar- und Windenergie erheblich höher werden.

Hierzu eine überschlägige Rechnung[1]: Elektrolyseure kosten heutzutage noch über 2.000 Euro je Kilowatt. Dadurch ergeben sich erfahrungsgemäß Jahreskosten für Abschreibung, Verzinsung, Wartung, Instandhaltung und Betriebsführung in Höhe von etwa einem Zehntel der Anschaffungskosten, also etwa 200 Euro jährlich. Die Frage ist nun, auf wie viele produzierte Kilowattstunden sich dieser Betrag verteilt. Läuft die Anlage das ganze Jahr durch (ca. 8.000 Stunden), ergeben sich Umwandlungskosten von 2,5 Eurocents je Kilowattstunde (= 200 Euro / 8.000 Stunden bzw. Kilowattstunden).

Die Idee bei „grünem“ Wasserstoff ist aber, dass nur Strom aus Sonne und Windenergie verwendet wird. Diese können in Deutschland nur ca. 1.000 (Sonne) bzw. 2.000 Stunden (Wind) pro Jahr liefern. Damit vervier- bzw. verachtfachen sich die reinen Umwandlungskosten auf jeweils 20 Eurocents (Sonne) oder 10 Eurocents (Wind) je Kilowattstunde. Noch teurer wird es, wenn nur sogenannter „Überschussstrom“ verwendet werden soll, also Strom aus Solar- und Windanlagen, der abgeregelt werden muss, weil bereits ein Überangebot an elektrischer Energie besteht. Dies trifft nur auf ca. 500 Jahresstunden zu, messbar an den Börsenzeiten mit negativen Strompreisen, wodurch sich alleine die Umwandlungskosten nochmals auf unbezahlbare 40 Cents je kWh verdoppeln würden.

Für die Produktion von einem Kilo Wasserstoff würde damit die Umwandlung alleine Kosten von bis zu 16 Euro verursachen (0,40 Euro x 40 kWh/kg), also rund das Zehnfache des heutigen Marktpreises.

Hierzu kommen noch die nicht unbeträchtlichen Kosten für die Verdichtung bzw. Verflüssigung von Wasserstoff und für Transport und Lagerung. Künftige Kostensenkungspotentiale bei der optimierten Herstellung von Elektrolyseanlagen können zwar dafür sorgen, dass die Umwandlung von Strom in Wasserstoff um bis zu neun Zehntel kostengünstiger werden kann. Dennoch zeigt diese überschlägige Rechnung, dass die Herstellung von „grünem“ Wasserstoff aus „Überschussstrom“ ohne massive Eingriffe in die Kostenstrukturen von Wasserstoff und fossilen Energierohstoffen nicht wettbewerbsfähig werden kann.

Aber es gibt bessere Alternativen für „grünen“ Wasserstoff

Aus Erdgas kann beispielsweise mittels Plasmaverfahren und dem Einsatz von nur zehn Kilowattstunden ein Kilogramm Wasserstoff hergestellt werden, wobei der freiwerdende Kohlenstoff in fester Form vorliegt und beispielsweise zur Bodenverbesserung verwendet werden kann. Über hydrothermale Verfahren könnte Wasserstoff aus Biomasse und Abfällen hergestellt werden[2]. Über katalytische Verfahren wie dem Schwefel-Jod-Verfahren könnten bei hohen Temperaturen (>600°C) Wasserstoff direkt hergestellt werden, also ohne den Umweg über die hochwertige elektrische Energie.

Die Frage bei der chemischen Herstellung ist allerdings, woher die Prozesswärme stammt. Wenn Kohle, Öl und Erdgas dafür nicht verwendet werden sollen, müssen andere Hochtemperatur-Quellen verwendet werden. Das könnten etwa Hochtemperatur-Kernreaktoren sein, an denen im Ausland kräftig geforscht wird, und mit denen Wasserstoff zwischen einem und zwei Euro je Kilogramm kosten würden, also zu wettbewerbsfähigen Konditionen hergestellt werden könnte. Einige dieser Reaktorkonzepte sind durch kluge Nutzung der Naturgesetze inhärent sicher, könnten also auch mitten in einem Industriegebiet gefahrlos betrieben werden.

Das Spannende daran ist, dass Kernreaktoren zur Wasserstoffherstellung auch in Deutschland zum Einsatz kommen könnten. Der Bau und Betrieb von Kernreaktoren sind auch nach 2022 erlaubt. Das Atomgesetz verbietet in §7 lediglich den Betrieb von Kernreaktoren „zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“. Für die Wasserstoffwirtschaft könnte die Kerntechnik daher die Tür zum Erfolg werden. „Grüner“ Wasserstoff wird dagegen eine Sackgasse bleiben, denn eine politische Strategie, die Energie verteuert, wird weltweit keine Nachahmer finden, Deutschland isolieren und keinen Beitrag zur weltweiten CO2-Thematik leisten.

Wasserstoffwirtschaft könnte also sowohl wirtschaftlich als auch technisch funktionieren. Voraussetzung ist, dass wir den Fallgruben ausweichen, die die Naturgesetze auf dem Weg dorthin bereithalten, und auf Lösungen mit hoher Effizienz setzen. Gerade die Abkehr von wetterabhängigen Umgebungsenergie – in Zeiten eines Klimawandels sowieso geboten – könnte dafür sorgen, dass Wasserstoff als Energieträger eine so gewichtige Rolle zukommt, dass die Umstellung der Energieversorgung auf emissionsfreie Energieträger gelingt.


[1] Diese deckt sich recht gut mit aktuellen Marktzahlen, vgl. https://emcel.com/de/was-kostet-gruener-h2/.

[2] Zum Beispiel https://blue-energy-group.de/gruener-wasserstoff-aus-oekostrom-und-biomasse/.

4. November 2020

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