Mutiger Kampf gegen Profilphobie

von Martin Lohmann

Alexander Mitsch kennt seine Partei seit mehr als 35 Jahren. Er ist CDU-Mitglied und Vorsitzender der WerteUnion. Aber: Nicht nur er kennt seine Partei nicht wirklich mehr, nicht mehr wieder. Aus der Union eines Konrad Adenauer und Helmut Kohl ist längst eine linkspopulistische Allerweltsgruppierung geworden, die unter der ehemaligen FDJ- und Propagandasekretärin Merkel zu einer Partei mutierte, die dem einst so wichtigen und gestaltgebenden „C“ kein Asyl mehr zu geben scheint. Alles, was die von der Kanzlerin dominierte CDU ausmachte, wurde dem vermeintlich so unwiderstehlichen Zeitgeist geopfert. Das gilt für die innere und äußere Sicherheitspolitik, für den Einsatz für die Familie, den Lebensschutz, die Wirtschaftspolitik, die Finanzpolitik, das Bildungswesen und die Energiepolitik. Wo „C“ draufsteht und eine dynamische politische Verantwortung für eine menschengerechte Handlungseffizienz erwartet werden könnte, ist kein C mehr zu finden.

Dieser Macht der Profilverweigerung und der linksideologisch gespeisten faktischen Unterdrückung einer die Union unter Heiner Geißler noch auszeichnenden Dialog- und Streitkultur widersetzt sich nicht nur Alexander Mitsch, der mit seiner inzwischen mehr als 4000 Mitglieder starken WerteUnion aus Leidenschaft für eine christliche Überzeugung für die Zeit nach Merkel kämpft. Sein Buch „Im Dienste der Überzeugung“ trägt denn auch den markanten Untertitel „Wie wir Deutschland und die CDU/CSU nach Merkel retten“. Das, was er nach drei Jahren WerteUnion nun bilanzierend zu Papier gebracht hat, liest sich wie das Tagebuch eines Besorgten, der aber dennoch an die Kraft der konservativen Erneuerung glaubt und sich von perfiden Verleumdungen und argumentationsfreien Attacken aus dem Merkel-Establishment nicht wirklich irritieren lässt.

Das hat etwas mit der Überzeugung derjenigen zu tun, die mehr als freiheitsvernichtende und menschenverachtende Ideologien als Koordinaten für politisches Handeln für richtig halten und als nachhaltig erkennen. Doch genau davon ist ja, wie der wegen seiner wahrhaftigen Aussagen von Horst Seehofer entlassene Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in seinem Vorwort schreibt, nichts übrig geblieben. Dabei stand diese Partei einmal für „das christliche Menschenbild und den Humanismus, die soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, bürgerliche Freiheiten, Patriotismus, ein starkes Europa, das Streben nach gesunden und natürlichen Lebensverhältnissen“ und den Schutz von Ehe und Familie. Heute aber stehe die WerteUnion „für die Prinzipien des fortschrittlichen, liberalen, demokratischen Rechtsstaats“, Prinzipien, die CDU/CSU und Deutschland stark gemacht haben.

Wenn der Autor in seinem Buch zunächst seinen eigenen Weg der drohenden politischen Entheimatung aufgrund inhaltlicher Aushöhlung dieser seiner Partei CDU beschreibt, dann formuliert er Gedanken, die auch viele andere einst treue Unionswähler hatten. Die längere Suche nach dem, was trägt, mündete bei Mitsch schließlich in der WerteUnion, die wahrlich nicht der einzige Versuch war, die Union vor dem Versinken in der Inhaltslosigkeit zu bewahren, die sich vor allem nach dem Ende der Merkel-Zeit brutal zeigen könnte. Aber auch andere, die nichts als eine Profilerweiterung und -sicherung der einmal so erfolgreichen C-Partei wünschten, wurden mit Hatespeech und Ausgrenzung von systemkonformen „christlichen“ Partei-„Freunden“ überzogen. Der AEK, der Arbeitskreis Engagierter Katholiken, kann davon ein Lied singen. Und auch - zu früh erschienene? - analytische Bücher, die ein unionsstarker Weckruf sein wollten, kamen auf einen imaginären Index merkelverschworener Mitläufer - auch wenn bekannte Kritiker aus der Unionsspitze sich später für den Verriss des Buches beim Verfasser entschuldigten, weil ja - leider - alles eingetreten sei, wie es befürchtet wurde. (Vgl. Martin Lohmann: Das Kreuz mit dem C - Wie christlich ist die Union? 2009).

Alexander Mitsch nennt in seinem Buch-Protokoll mehrere Ausgrenzungen gegenüber der WerteUnion. Allen gemeinsam dürfte die panische Angst der Ausgrenzenden vor Logik und Argumentation sein. Das gilt wohl vor allem für den in Brüssel lange - neben seiner Diätenfinanzierung - ordentlich pekuniär gepamperten Lobbyisten CDU-„Spitzenmann“ und CDU-Bundesvorstandsmitglied Elmar Brok (der im Buch fälschlich Brock genannt wird). Denn dieser Partei-„Demokrat“ verstieg sich - offenbar voller Wut, dass es noch Widerspruch zu Merkel in dieser CDU gebe - zu der bösartigen Formulierung, die WerteUnion sei ein „Krebsgeschwür“, das herausgeschnitten werden müsse. Eine rügende Bemerkung von der ansonsten so sprachlich achtsamen Kanzlerin hierzu suchte man vergebens. Auch der Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag scheint erwiesene C-Positionen nicht sonderlich zu lieben, erst recht, wenn man dadurch den inhaltlichen Dissens zu Frau Merkel bemerken könnte. Und so „schützt“ sich Ralph Brinkhaus vor dem Dialog und der notwendigen Auseinandersetzung schlicht und plump durch Diskreditierung Andersdenkender und behauptet wahrheitswidrig, die Leute von der WerteUnion gehörten nicht „zu uns“.

Das Buch von Alexander Mitsch ist vor allem ein Zeitzeugnis, nicht nur von der zum Teil erschütternd banalen Zerfalls-Geschichte einer einst großen Partei, die viel für Freiheit, Demokratie, Sicherheit, Wohlstand und Verantwortung des modernen Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg leisten konnte. Es ist auch eine Beschreibung der Demokratie-Mutation in einer verbrämend als Ära bezeichneten Zeit, in der aufrechte und widerspruchsfähige Demokraten gerade in der Union nicht mehr der Normalfall zu sein scheinen und man jeden Selbstdenker lieber als Störenfried oder gar Krebsgeschwür diffamiert. Zweifel bleiben freilich nach der Lektüre dieser Aufzeichnungen. Man muss schon sehr hoffnungsstark sein, wenn man allen Ernstes meint, man könne die Union nach diesem mehr und mehr erkennbaren Kahlschlag und der damit verbundenen Existenzvernichtung von innen heraus wirklich noch retten.

7. Oktober 2020

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