Wasserstoffwirtschaft: Wenn, dann richtig!

Die Energiefrage #74

Nichts inspiriert Politiker wie Vorstände großer Unternehmen derzeit so wie das Versprechen, mit Wasserstoff die Wende hin zu einer umweltfreundlichen Energieversorgung zu ermöglichen. Mit den unhandlichen physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff wird es jedoch nicht einfach werden, ihn zum volkswirtschaftlich vertretbaren Energieträger zu machen. Soll es gelingen, müssen einige schwierige Herausforderungen gemeistert werden.

Weil die Energiepolitik stark auf wetterabhängige Umgebungsenergien für die Stromproduktion setzt, sucht sie noch immer nach Lösungen, um die damit verbundenen Nachteile auszugleichen: Solar- und Windkraftwerke produzieren Energie nicht rund um die Uhr, sondern wenn es das Wetter so will. Eine theoretische Lösung dabei wäre, große Energiespeicher zu bauen, die befüllt werden, wenn die Sonne scheint und der Wind weht. Aus diesem Speicher könnten wir dann in den Flauten- und Dunkelzeiten die Energie entnehmen, die wir verbrauchen.

Auf den ersten Blick sieht Wasserstoff nach einer Möglichkeit aus, um Energie zwischenzuspeichern, die wetterbedingt gerade im Überfluss zur Verfügung steht. Wasserstoff ist ein Gas mit sehr hoher Energiedichte je Kilogramm – dreimal höher als Kraftstoffe – und es reagiert ohne schädliche Emissionen freizusetzen mit Sauerstoff zu Wasser. Außerdem ist Wasserstoff eines der häufigsten Elemente der Erdkruste und reichlich verfügbar. In Brennstoffzellen können Wasserstoff und Sauerstoff unmittelbar in elektrische Energie umgewandelt werden, und beispielsweise Elektroautos antreiben. Zuletzt kann Wasserstoff beispielsweise in der Stahlherstellung eingesetzt werden und dort Kohle-Produkte ersetzen.

So weit zu den nachvollziehbaren Vorteilen. Die Nachteile sollten gleichfalls berücksichtigt werden, und das haben bereits wir in einer früheren Kolumne („Wasserstoff, Energieträger der Zukunft. Oder?“) besprochen: Wie wir dort vorgerechnet haben, gehen bei Herstellung, Transport, Lagerung und Verwendung von Wasserstoff etwa drei bis vier Fünftel der Energie in Form von Abwärme verloren. Dadurch hat Wasserstoff als Energieträger einen sehr teuren Rucksack mitzuschleppen, will er wirtschaftlich erfolgreich sein[1]. Hinzu kommt, dass Sonne und Wind nur selten so stark scheinen bzw. wehen, dass Überschüsse entstehen, die am Strommarkt nicht benötigt werden und für die Wasserstoffproduktion eingesetzt werden könnten. Der Punkt ist ein wirtschaftlicher: Wenn ein Elektrolyseur, der Strom in Wasserstoff umwandelt, nur an ein Fünftel oder Zehntel der Jahresstunden läuft, kostet der Umwandlungsschritt auch das Fünf- oder Zehnfache im Verhältnis zu einer Anlage, die das ganze Jahr durchläuft. Die Idee, „grünen“ Wasserstoff aus überschüssigem, also sonst nicht am Markt verwertbaren Solar- und Windstrom zu nutzen, lässt sich wirtschaftlich nicht darstellen. Allein die Elektrolyse von Überschussstrom würde weit über 10 Euro je Kilogramm Wasserstoff kosten, während aus Erdgas gewonnener „blauer“ Wasserstoff bei etwa zwei Euro je Kilogramm liegt.

Um Wasserstoff als Energieträger nutzbar zu machen, müssen daher mehrere Voraussetzungen geschaffen werden. Wir starten eine Artikelserie in „Die Energiefrage“ und diskutieren Herausforderungen und Lösungsansätze, die technisch funktionieren, den ökologischen Fußabdruck berücksichtigen und volkswirtschaftlich gangbar sind. Gerade der letzte Aspekt ist immens wichtig.

Anstelle der deutschen Strategie, Energie zu verteuern, müssen wir Lösungen anbieten, die emissionsarme Energieformen voranbringen, die günstiger sind als Kohle, Öl und Gas. Nur dann werden sie sich weltweit durchsetzen und nur dann werden sie weltweit übernommen, und nur dann werden sie auf die weltweite Ökobilanz einzahlen können.

Heute starten wir mit dem zentralen Element der Nutzung von Wasserstoff. Dieser könnte in Verbrennungsmotoren verwendet werden, effizienter ist aber die Nutzung in der Brennstoffzelle.

Brennstoffzellen: Design-to-scale notwendig

Brennstoffzellen, mit denen Wasserstoff in elektrische Energie zurückgewandelt wird, haben in heutiger Bauart einige Merkmale, die einer Skalierung entgegenstehen. Zunächst: Sie bestehen aus Aggregaten, um jeweils Wasserstoff und Luft in die Brennstoffzellen zu pumpen; einer Membranelektrodeneinheit, in der die chemische Reaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff so „vermittelt“ (katalysiert) wird, dass Elektronen frei werden und das positiv geladene Wasserstoff-Ion zum Luft-Sauerstoff wandern kann.

Was wir hier an technischen Details wissen müssen, ist, dass Sauerstoff und Wasserstoff in die Brennstoffzelle hinein verbracht, und Abwärme, Wasser und Elektrizität herausgeholt werden müssen. Dabei ist die Effizienz dieser Prozesse sehr entscheidend dafür, wie gut eine Brennstoffzelle ist. Je geringer der Widerstand, mit der die beteiligten Gase die Brennstoffzelle durchlaufen, desto kleiner können die Pumpen ausfallen, die dies bewirken müssen, und desto geringer die Verlustwärme, die abgeführt werden muss. Je höher die Spannung – und damit je niedriger die Stromstärke, die die Brennstoffzelle liefert, desto kleiner und leichter können die Stromleitungen im System ausfallen. Je höher der Wirkungsgrad der Zelle, desto weniger Abwärme muss abgeführt werden, und desto größer können die Zellen gebaut werden.

Heutige Brennstoffzellen sind in allen diesen Dimensionen ungeeignet, um ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Wirkungsgrad ist zu niedrig, dadurch wird zu viel Energie vernichtet, die als Abwärme aufwändig abgeführt werden muss, was aber wegen einer wenig durchdachten Geometrie nur bis zu einem gewissen Grad gelingt. Und dadurch werden Anbauteile wie Pumpen und Stromkabel überdimensioniert und schwer. Elektroden und Membrane werden heute aus teuren Materialien und in komplexen Prozessen gefertigt. Die Stückzahlen sind noch zu niedrig für eine kostenreduzierende Massenproduktion.

Aus all diesen selbstgemachten Gründen sind Brennstoffzellen heute um ein Vielfaches teurer als Dieselmotoren ähnlicher Leistung. Nur durch staatliche Förderungen können sie dennoch winzige Marktanteile gewinnen.

Wir sagen voraus: Erst wenn eine Brennstoffzelle entwickelt wird, die darauf optimiert ist, einfach konstruiert zu werden und einen hohen Wirkungsgrad aufweist, wird sich die Wasserstofftechnologie von der Anwenderseite her durchsetzen können. Diese Brennstoffzelle müsste also den inneren Widerstand für den Gastransport reduzieren; mit höchsten Spannungen arbeiten, um je Leistungseinheit mit möglichst dünnen elektrischen Leitungen auskommen zu können; geometrisch einfach konstruiert sein, damit die Abwärme einfach abgeführt werden könnte; und mit Massenfertigungsverfahren hergestellt werden können, um die Herstellungskosten massiv abzusenken.

Gelänge es, eine solche Brennstoffzelle an den Markt zu bringen, dann könnte eine Positivspirale in Gang gesetzt werden. Sinkt der Preis für Brennstoffzellen je Leistungseinheit, werden sich mehr Kunden dafür finden. Wird die Brennstoffzelle einfacher konstruiert, wird sie länger halten, und sie kann größer gebaut werden, was wiederum neue Anwendungsfelder erschließt. Finden sich mehr Anwendungen, würde dies zu steigenden Stückzahlen führen, und die Herstellungsverfahren könnten dadurch optimiert werden, um die Preise weiter absenken zu können. Die Brennstoffzelle könnte so zum Selbstläufer werden, auch ohne massive staatliche Unterstützung.

Umgekehrt wird sich die Brennstoffzelle auch bei milliardenschweren Subventionen nicht durchsetzen, wenn der heutige, unzureichende Stand der Technik einfach hochskaliert wird. Neue Konzepte müssen her, und es ist gut, dass es hierfür technische Ansätze gibt, die die Brennstoffzelle zum Selbstläufer machen könnten, auch ohne massive staatliche Unterstützung. Diese vielversprechenden technologischen Ansätze sollten entwickelt werden. Daneben haben auch existierende Brennstoffzellen-Konzepte noch erhebliche Kostensenkungspotentiale durch Massenfertigung.

[1] Das ist nicht verwunderlich. Elektrische Energie ist zu nahezu 100% nutzbare Energie für alle Arten von Anwendungen, dagegen hat Wasserstoff nur einen „Brennwert“. Das ist die „niedrigste“ Form von Energie, und nur ein kleiner Teil von ihr kann in nutzbare Energie in Kraftwerken oder Brennstoffzellen rückgewandelt werden.

25. September 2020

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