Dr. Björn Peters

Klimaschutz ins Grundgesetz? Vorsicht mit Wünschen!

Die Energiefrage – #67

Dieser Tage wurden Wünsche laut, den „Klimaschutz“ als Staatsziel ins Grundgesetz aufzunehmen. Dies ist ein politisch gefährlicher Wunsch für dessen Protagonisten. Denn Staatsziele müssen ernst genommen werden.

Mit dem Wünschen ist es so eine Sache. Man sollte gut darüber nachdenken, was genau man sich wünscht. Im Märchen erscheint dem jungen Ehepaar eine gute Fee und stellt drei Wünsche frei. Weil sich mit leerem Bauch nicht so gut übers Wünschen nachdenken lässt, wünscht sich einer der Ehepartner eine Wurst. Der andere ist darüber so enttäuscht, dass er dem anderen die Wurst an die Nase wünscht. Als auch dieser Wunsch erfüllt wird, bleibt den beiden nur, sich die Wurst wieder auf den Teller zurück zu wünschen, das Kontingent an Wünschen ist damit aufgebraucht. In vielen Varianten wird dieses Volksmärchen in etlichen europäischen Ländern erzählt.

Assoziationen an diese Geschichte werden wach, wenn nun selbst die CSU die Forderung der Kinder, die derzeit freitags auf die Straße gehen, aufgreift, den „Klimaschutz“ ins Grundgesetz aufzunehmen.

Erstens ist das Wort „Klimaschutz“ nicht definiert, daher steht es hier in Gänsefüßchen. Was soll damit genau gemeint sein? Nur eine Dekarbonisierung der Wirtschaft? Dann fehlen aber die errechneten Klimawirkungen anderer sog. Treibhausgase wie Methan und Lachgas. Sollen alle menschlichen Aktivitäten erfasst werden, die das Mikroklima erwärmen? Dazu zählt jede Bodenversiegelung, jede Windkraftanlage im Wald und jede Industrieanlage. Schließlich ist „Klima“ die Summe der Mikroklimata an jedem Punkt der Erde, und nicht nur eine Art Kampfbegriff für den Wunsch nach einer bestimmten CO2-Konzentration in der Atmosphäre.

Die Frage ist auch deswegen relevant, weil vor wenigen Monaten Forscher im Fachblatt Nature mehrere Studien veröffentlicht haben, die besagen, dass es seit der Zeitenwende erst ab Ende des 19. Jahrhunderts eine globale Erderwärmung gäbe, es in den Jahrhunderten davor aber keine Erwärmungs- und Abkühlungsphasen gegeben habe, die gleichzeitig auf der ganzen Welt stattgefunden habe[i]. Sie nehmen das als einen Hinweis darauf, dass der Mensch seit der Industrialisierung die Erdtemperaturen beeinflusse. Unter der Annahme, dass die Methoden und Ergebnisse der Forscher stimmen: Diese sind sich darin einig, dass eine Hälfte der Erwärmung zwischen Mitte des 19. und etwa 1940 stattfand, die andere Hälfte etwa seit 1970. Dazwischen gab es eine leichte Abkühlung.

Da die CO2-Konzentration der Atmosphäre erst seit etwa 1950, als die Nutzung von Erdöl einen weltweiten Wirtschaftsboom auslöste, anstieg, stellt sich also die Frage, wer oder was für die Erwärmung zwischen 1850 und 1940 um etwa 0,45 Grad Celsius verantwortlich war. Kohlendioxid kann es nicht gewesen sein, aber was dann? Handelt es sich um Messfehler von Temperatursonden, die von Städten eingeschlossen wurden? Handelt es sich um die Folgen großflächiger Entwaldung, mit denen die Menschheit Raum gewann für Weiden, Ackerbau, Verkehrswege und Industrie? Oder gibt es für die Erwärmung eine natürliche Erklärung wie rhythmische Schwankungen im Ozean-Atmosphäre-System[ii] oder eine steigende Sonnenaktivität? Wir werden es so bald nicht wissen, da diese Forschungsfragen kaum gestellt werden und dadurch auch keiner Beantwortung zugeführt werden.

Wer aber „Klimaschutz“ sagt und damit „Schutz des Globus vor menschgemachter Erwärmung“ meint, der müsste sich mit allen Ursachen der Klimaerwärmung gezielt auseinandersetzen, seien sie natürlich oder menschgemacht. Physik ist nicht so einfach, wie manche Aktivisten und Politiker das zu glauben scheinen, und Atmosphärenphysik erst recht nicht. Einfache Erklärungen führen zumeist in die Irre. Wenn alle Ursachen für die Erwärmung gleichermaßen untersucht würden, wäre der politische Lösungsraum zur Bekämpfung einer künftigen Erderwärmung möglicherweise so vielfältig, dass „Klimaschutz“ als Handlungsmaxime nichts taugt.

Das führt uns zum zweiten Punkt, warum „Klimaschutz“ im Grundgesetz nichts zu suchen hat. Wenn ein solches Staatsziel einmal im Grundgesetz steht, dann müsste bei allen Gesetzesvorhaben abgeprüft werden, ob das Staatsziel tangiert ist. Jede Infrastrukturmaßnahme, die gesamte Art des Wirtschaftens müsste auf den Prüfstand. Was, wenn die einzige Lösung zur Vermeidung weiterer Erderwärmung aus naturwissenschaftlicher Sicht die vollständige Wiederaufforstung des europäischen Subkontinents wäre, dafür aber die natürlichen Lebensgrundlagen der Europäer entzogen würden, welches Staatsziel hätte dann Vorrang? Sollte dann der „Klimaschutz“ über das Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Menschenwürde gestellt werden? Über die Staatsziele Demokratie, Föderalismus und Rechtsstaatlichkeit, wie es etwa in der „Großen Transformation“ angelegt ist? Was, wenn die Techniker als Lösung die Umstellung sämtlicher Energiegewinnung auf Kernenergie vorschlügen? Immerhin gibt es ja dazu heutzutage Konzepte, wie dies weitgehend umweltfreundlich, zumindest völlig sicher und emissionsfrei bewerkstelligt werden könnte[iii]. Wie die aktuellen politischen Diskussionen zeigen, ist dies nicht im Sinne derer, die die Einführung des „Klimaschutzes“ ins Grundgesetz fordern.

Es gibt im Übrigen ein weiteres Staatsziel, das in eine ökologische Richtung geht. Vor einem Vierteljahrhundert wurde der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Artikel 20a ins Grundgesetz aufgenommen. Dass dieses Staatsziel bei der Verabschiedung sämtlicher Energiegesetze der vergangenen beiden Jahrzehnte ignoriert wurde, haben wir an anderer Stelle thematisiert. Die Konsequenz hieraus ist, dass die jüngere Energiegesetzgebung das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot des Artikel 20a außer Acht lässt, sie dadurch verfassungsrechtlich angreifbar und ggf. nichtig ist. Es ist bei politischer Entscheidungsfindung nicht immer einfach, naturwissenschaftliche und technische Erkenntnisse ausreichend zu würdigen. Wenn dies bei dem etwas einfacheren und relativ leicht messbaren Thema ‚natürliche Lebensgrundlagen‘ schon gescheitert ist, wie soll eine umfassende Güterabwägung dann beim wesentlich komplexeren Thema der Erderwärmung gelingen?

Ein gutgemeinter Wunsch ist eben nicht immer ein guter Wunsch. Und wo die Moral des Märchens ist, am Ende wunschlos glücklich sein zu sollen, können wir uns diesen Luxus nicht leisten: Wollen wir den Herausforderungen des Artenschwunds effektiv begegnen, benötigen wir dringend eine wirkungsvollere Umweltpolitik. Eine, die im Einklang mit allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen steht und die Möglichkeiten neuer Technologien nutzt. Dazu genügt es, den Artikel 20a wirken zu lassen. Denn ein sich änderndes Klima ist nur dann von Bedeutung, wenn die "natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere" bedroht werden. Genau diese werden bereits grundgesetzlich geschützt, und die Menschen durch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Alle Maßnahmen zum "Klimaschutz" müssen dagegen erst einmal beweisen, dass sie an Mensch und Natur weniger Schaden anrichten als sie dort an Nutzen stiften. Weitere Regeln im Grundgesetz sind dazu nicht nötig.

[i] R Neukom et al., No evidence for globally coherent warm and cold periods over the preindustrial Common Era, Nature 571, 550–554 (2019); S Brönnimann et al., Last phase of the Little Ice Age forced by volcanic eruptions, Nature Geoscience 12, 650–656 (2019); PAGES 2K Consortium, Consistent multidecadal variability in global temperature reconstructions and simulations over the Common Era, Nature Geoscience 12, 643-649 (2019).
[ii] Die „Multidekadische Nordatlantische Oszillation“ lässt beispielsweise alle sechs Jahrzehnte die Temperaturen für ein paar Jahrzehnte ansteigen und wieder abfallen, ein Effekt, der noch nicht in den Klimamodellen simuliert werden kann.
[iii] Siehe dazu als Beispiel die Webseiten des Kugelbettreaktors und des Dual-Fluid-Reaktors.

5. August 2019

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