Günter Spahn

Das Heinz-Christian Strache-Video

Staatskrise im Land der Skandale – Auswirkungen auf die EU-Wahlen

Österreich erlebt – einmal wieder – eine Staatskrise, ausgelöst durch ein Video, in dessen Mittelpunkt der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und Parteichef der FPÖ, Heinz-Christian Strache, steht. Doch den größten österreichischen politischen Skandal in der 2. Republik stellt das aktuelle hirnlose und auch primitive „Geschwätz“ des HC Strache in einem Video keineswegs dar. Das liebenswerte Österreich ist in ganz besonderer Weise immer wieder ein Land der politischen Skandale gewesen. Beteiligt waren und sind dabei alle führenden großen politischen Parteien, die österreichische Sozialdemokratie und die konservative ÖVP sowie, wie das aktuelle Beispiel Strache zeigt, die „Freiheitlichen“, die FPÖ.

Historiker mögen darüber streiten, ob der Lucona-Skandal – da waren sogar Todesopfer zu beklagen – oder die Waffengeschäfte bei der Noricum-Affäe den unrühmlichen Spitzenplatz bei den österreichischen Affären einnehmen. Beide Skandale fanden in der Arä der SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky und Fred Sinowatz statt. Der damalige Innenminister Karl Blecha (SPÖ) trat zurück und wurde später zu einer neunmonatigen bedingten Haftstrafe verurteilt.

Unentschuldbarer Skandal

Doch keine Frage: Der jetzt bekanntgewordene Video-Skandal gehört ab sofort mit in die vorderste Reihe und hat eine ganz besondere „Qualität“. Klar und unbestreitbar ist, dass die Video-Aussagen von Strache nicht zu entschuldigen sind. Wer sich in einem „Unterhosen-Mileu“ bewegt, hat auf der politischen Bühne keinen Platz. Strache war bei der Produktion des Videos zwar noch nicht Vizekanzler, aber immerhin schon Parteichef der FPÖ und somit ein wichtiger Akteur der österreichischen Politik. Allein die sprachliche Diktion und die Gestik von Strache beim Gespräch in einer spanischen Villa auf Ibiza, mit einer angeblich sehr reichen russischen Dame, wirken mit Verlaub proletenhaft. Die FPÖ wäre daher gut beraten, wenn sie Strache aus der Partei ausschließen würde. Ein Politiker, der einem angesehenen österreichischen Unternehmen – die Strabag in Wien, die auch in Deutschland zu den größten Baukonzernen zählt - Aufträge zugunsten einer unbekannten und möglicherweise erst noch zu gründenden ausländischen Firma entziehen will, kann keine politische Zukunft mehr haben.

Doch der Skandal hat zwei Seiten. Es geht auch um Moral und Ethik bei der Presse. Es ist noch viel zu früh, sich hier abschließend ein Urteil über deren Rolle und Antrieb bilden zu können, vor allem zur Frage, warum ausgerechnet kurz vor der EU-Wahl das Video öffentlich gemacht wurde. Es dürften noch viele Überraschungen bekanntwerden und diese müssen nicht unbedingt zum Vorteil der beim Erwerb des Videos beteiligten Medien gereichen. Hier ist ein ganz bestimmtes „Gschmäckle“ entstanden. Schon werden ja Legenden gestrickt, wer wohl hinter dem Video gestanden hat. Es wurden auch schon Namen genannt, aber alles muss erst noch bewiesen werden.

Sicher ist nur, dass hinter dem Video Profis stehen müssen. Die ganz Planung und Logistik lässt ausgebuchste „Fachleute“ vermuten. Aber auch da würde es zu weit gehen, bereits über bestimmte Geheimdienste spekulieren zu wollen. Wir stehen erst am Beginn eines Polit-Thrillers.

Die Aussagen von Strache sind ein Skandal erster Güte, aber die Veröffentlichung eines offensichtlich kriminell entstandenen und heimlich gedrehten Videos eben auch. Dies ist jedenfalls die Meinung seriöser Datenschützer. Stefan Brink, der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, gehört dazu und er hat sich auch schon kritisch zu Wort gemeldet. Wenn Machenschaften, wie die mit krimineller Energie gedrehter Videos, und deren medienwirksamer Veröffentlichung, toleriert werden, könnte es mit unserer seriösen Debattenkultur außerhalb der Parlamente bald ein Ende haben. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat einmal einen Verbotsprozess platzen lassen, weil V-Leute in die Reihen der betroffenen Partei eingeschleust wurden. Da wurde auch nicht gesagt, wie jetzt beim Strache-Video, dass das höhere Interesse dies rechtfertige.

Die Presse hat nicht zu kontrollieren

Auch das Presserecht rechtfertigt nicht das Verbreiten von Nachrichten, die dubios mit kriminellen Methoden entstanden. Der Paragraf 201a des Strafgesetzbuches besagt, dass heimliche Videoaufnahmen strafbar sind. Punkt! Da kann es auch keine Ausnahmen geben, ansonsten höhlt sich der Rechtsstaat selbst aus. Auch das Bundesverfassungsgericht sollte das höhere Gut – dies hat es ja in dem erwähnten Verbotsprozess so gehandhabt - bewerten.

Es ist mit Verlaub eben nicht die Aufgabe der Presse, „Kontrollaufgaben“ zu übernehmen. Dafür ist die parlamentarische Opposition im Plenum zuständig. Die Presse hat zu kritisieren. Dies soll sie ohne einen Betroffenheitsjournalismus auch temperamentvoll machen. Aber Kritik ist eine Seite, Kontrolle eine völlig andere. Im Übrigen: Welches Interesse – abgesehen von einer möglichen Wahlbeeinflussung der EU-Wahl - soll die österreichische oder die unbeteiligte deutsche Öffentlichkeit bei der Veröffentlichung eines Videos, das eine einzelne Person (!) belastet, haben? Was hat die österreichische Bevölkerung jetzt von dem Video? Ein Land, das möglicherweise bis zur Neuwahl nicht steuerbar ist. Ist dies die Aufgabe der Presse?

Es ging und geht nicht beim Strache-Video um eine Partei, es ging um eine Ungeheuerlichkeit und „Hornochserei“ eines Einzelnen, wenn er auch bei der Produktion des Videos „nur“ Parteichef war. Es gibt nicht per se eine Sippenhaft, auch nicht eine politische. Wäre es den Medien beim Strache-Video um eine seriöse Presseaufgabe gegangen, hätte sie, schon um das erwähnte „Gschmäckle“ der Stimmungsmache zu vermeiden, die EU-Wahl ja abwarten können. Besser wäre es gewesen, wenn die Medien das dubiose Video der Justiz übergeben hätten. Dies wäre Größe gewesen. Für die Medien kann der „Schuss nach hinten“ losgehen. Man kann durchaus den Verdacht haben, dass es den Medien, die das Video publik machten, um die Sensation – vielleicht zum Zweck der temporären Auflagensteigerung - ging.

23. Mai 2019

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